Ich lese gerne und viel. Unter anderem auch Fachliteratur aus dem weiten Feld der Wirtschaftspsychologie. Begriffe wie Resilienz, Burnout-Prophylaxe und ähnliche stammen aus diesem Feld. Und jetzt – ganz neu: Emotionsmanagement. Meine erste Reaktion: Was für eine Herausforderung! Nun soll ich neben mir selbst (=Selbstmanagement), meiner Zeit (=Zeitmanagement) auch meine Emotionen managen. Großartiges, neues Etikett. Oder steckt doch mehr dahinter?
Versuchen wir eine Annäherung an den Begriff. Erster Bestandteil sind zunächst die menschlichen Emotionen. Was einfach klingt, verbirgt ein wildes Sammelsurium an Theorien – wer Klarheit haben will, findet diese in der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft gut erklärt. Für unsere Zwecke reicht es, wenn wir wissen, dass beispielsweise Freude, Wut, Überraschung Emotionen sind. Wenden wir uns nun dem zweiten Begriffsbestandteil „Management“ zu. Studierende fast aller Fachrichtungen lernen, dass dies aus drei Komponenten besteht: Planen, Steuern, Kontrollieren. Alles klar?
Dann übertrage ich das einfach mal auf ein Beispiel: Ich soll also meine Emotion „Freude“ planen, steuern und kontrollieren. Also sozusagen ganz spontan, wenn ich das Aufkommen von Freude in mir wahrnehme, diese planen (in ihrer zeitlichen Ausdehnung?), steuern (in ihrem Ausprägungsgrad?) und kontrollieren (über das Zulassen entscheiden: ja oder nein?).
Jetzt mal im Ernst: Was für ein Menschenbild liegt dieser Empfehlung zugrunde? Der Mensch als sich selbst managende Maschine ist ja bereits ein weit verbreitetes Bild. Bisher bezog sich dieses stets auf irgendwelche organisatorischen Dinge. Nun aber auch Emotionen als Ausdruck meiner individuellen Persönlichkeit in irgendeiner Weise planen-steuern-kontrollieren zu sollen ist schon irgendwie… ja, krank. Das alle drei Komponenten sich auch zum Wahn steigern können, ist bekannt. Am geläufigsten ist dabei der Kontrollwahn. Wahrscheinlich fällt ihnen allen dabei irgendein Vorgesetzter ein, der mangels Vertrauen stets alles vorgelegt bekommen wollte. Wozu führte das? Dem Ersticken jedweder Kreativität und Ablehnen jeder persönlichen Verantwortung.
Die logische Folge des Emotionsmanagements wäre demnach also, dass Sie noch mehr einem Schema F entsprechen. Ein Schema, das Sie nicht definiert haben. An dem Sie sich dann aber messen lassen wollen, womit dann auch jede persönliche Verantwortung entfallen würde.
Aber vielleicht irre ich mich ja auch in der Begriffsinterpretation. Das wäre mir am liebsten. Insofern, liebe Begriffsschöpfer: Klärt mich auf! Oder ist Emotionsmanagement doch nur ein schnödes, neues Verkaufsetikett?
P.S.: Wie verträgt sich Emotionsmanagement eigentlich mit der allseits geforderten Authentizität?
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