Einer der wenigen Sätze aus meiner Schulzeit an die ich mich auch heute noch erinnere, war der Hinweis meines Deutschlehrers in der Oberstufe (Grundkurs), dass bei allen Worten, die mit -heit und -keit enden, immer Vorsicht angebracht sei. Jetzt will ich nicht behaupten, ich hätte das damals als Schülerin in der gesamten Reichweite auch nur ansatzweise verstanden, nein.
Einen deutlichen Fortschritt auf diesem Gebiet machte ich erst, als ich meine Diplomarbeit an der Universität schrieb. Es ging um die zinsbereinigte Einkommensteuer, die Anfang der 1990er Jahre in Kroatien eingeführt worden war. Nach dem Ende des kalten Kriegs brauchten die ehemals kommunistischen Länder auch den neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechende Steuersysteme. Damals wurden noch viele Überlegungen angestellt, wie ein Steuersystem ausgestaltet werden könne, das dem Anspruch der steuerlichen GerechtigKEIT gerecht wird. Es ist auch gern die Rede von der steuerlichen LeistungsfähigKEIT. Tatsächlich ging es um Investitionsneutralität.
Was ist also dran an den Worten mit -heit und -keit? Darüber lohnt es sich, einmal nachzudenken.
Um es kurz zu machen: Es sind diejenigen Worte, die ein Konzept beschreiben. Wir haben eine konzeptionelle Vorstellung von Begriffen wie Krankheit, Gesundheit, (Un-)Gerechtigkeit, (Un-)Gleichheit, Geschwindigkeit, Leistungsfähigkeit, Sprachlosigkeit, Brüderlichkeit, Freiheit.
Kann nun jemand, dem ein Arm oder Bein fehlt, gesund sein?
Ist es angebracht, zwei Menschen ungleich zu behandeln, um ihnen gerecht zu werden?
Kann jemand, der viel redet, sprachlos sein?
Kann jemand im Gefängnis frei sein? Sind Menschen in Freiheit wirklich frei?
Gut, nun stellen wir uns vor, wir sitzen ganz früh am Morgen irgendwo am Strand und es dämmert. Was passiert in den folgenden Minuten? Da Sie ein gebildeter Mensch sind, haben Sie sicher jetzt gedacht: Die Erde rotiert und dadurch gelangt die Sonne in unser Sichtfeld. Nein, haben Sie nicht? Ach, die Sonne geht auf? Aber wir wissen doch längst, dass das nicht der Fall ist. Warum ändert sich also die Sprache hier nicht?
Bei all diesen Fragen kommt es auf das Erleben des jeweils Betroffenen an, es ist also eine subjektive Sicht. Weil wir die Sonne als am Himmel aufsteigend erleben, ist es für uns wahr. Auch wenn sich die Erde weiterdreht. Also: Was ist jetzt die Wahrheit?
Diskussionen über -heit und -keit-Begriffe sind sicherlich manchmal unterhaltsam, unbestritten. Diese Konzepte sind nur alle kulturell und vom Zeitgeist geprägt. Daher gehören sie für mich an den Stammtisch, da die Ebene der Pauschalaussage nicht überschritten werden wird. Prost.
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