Begriff im Fokus: Angreifbar!

Begriff im Fokus: Angreifbar!

Angreifbar sein, wer will das schon? Dann bin ich ja für andere Menschen greifbar, kann nicht entschlüpfen. Voraussetzung für das Greifbar-werden ist aber, dass ich mich in irgendeiner Weise positioniert habe, vor allen anderen Stellung bezogen, eine nicht-neutrale Meinung geäußert habe.

Wer tut das denn heute noch? Es gehört zum guten Ton, nicht angreifbar zu sein. Beispiel Politik: Wo gibt es denn noch klare, wirklich greifbare Positionen der Parteien, die über Allgemeinplätze hinausgehen? Noch ärger: Die ausführenden Organe der Parteien, die Parteipolitiker selbst – wo gibt es denn mal ein wirklich an-greifbares Statement? Was vor vielen Jahren begann, zeigt nun langfristige Auswirkungen: Parteien unterscheiden sich in der Wahrnehmung der Menschen kaum noch. Und was für die Politik gilt, findet sich genauso in Unternehmen und – schlimmer noch – im Privaten. Die allgegenwärtige Handlungsmaxime: Erst mal abwarten, bis eine mehrheitsfähige Meinung erkennbar wird, dann schnell genug auf den Zug aufspringen.

Aber erst die Unterscheidung, das Greifbare schafft eine Kontrastfläche. Erst so gewinnt eine Person, eine Partei, ein Unternehmen an Profil. Dann steht sie und es für etwas Konkretes ein. Wird greifbar. An-greifbar.

Darling und Depp oder doch lieber angreifbar?

Das ist es, was die meisten scheuen. Greifbar sein bedeutet eben auch, dass einige daraufhin eine ablehnende Haltung einnehmen könnten. Aber, frei nach Franz-Josef Strauß, dem langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten, Bundesfinanz- und -verteidigungsminister, CDU-/CSU-Bundeskanzlerkandidat 1980 (u.v.m.), zitiert: „Everbody´s darling is everbody´s Depp!“

Bei aller berechtigten Kritik und fragwürdigen Aktionen hat er in dem Punkt meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf getroffen. Mit seinem Wirken hat er sich selbst häufig an-greifbar gemacht. Nicht ohne Grund ist er aber gerade deshalb über die Grenzen des blau-weißen Freistaats hinaus als Persönlichkeit so nachhaltig in Erinnerung geblieben. Gibt es solche Typen noch? Genauer: Typen, die das aus sich heraus und nicht einer ausgeklügelten Selbstvermarktungs-Strategie (da fallen mir einige Stars & Sternchen ein) folgend betreiben?

Was für Rückschlüsse lässt das auf unsere Gesellschaft zu? Welche auf unsere Unternehmen? Welche auf mich selbst? Jeder von uns hat jeden Tag die Wahl: Angreifbar oder doch lieber Depp sein?

Foto: Katrin Heilmaier – TaijiQuan Kurs bei Wee Kee Jin


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